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App.net – Das nächste große Ding?

Da App.net als Alternative zu Twitter gehandelt wird, möchte ich als erstes erzählen, wie ich zu Twitter gekommen bin. Danach werfe ich mal einen Blick als Außenstehender auf App.net und versuche zu verstehen, was es wirklich sein möchte.

Twitter

“Was soll denn das sein”, dachte ich anfangs und schaute mir das Erklärungsvideo an. Aha, man sollte also seinen Mitmenschen mitteilen können, ob und wann man den Rasen mäht, Kaffee oder Tee trinkt, ein Buch liest oder zu Bett geht. “Na immerhin ein neuer Dienst, der das ‘e’ vor dem ‘r’ nicht gestrichen hat”, war mein ironischer Gedanke und ich ignorierte Twitter.

2008 war ich dann zusammen mit Chris auf der Photokina, um für unseren Happy Shooting Podcast darüber zu berichten. Chris nutzte Twitter zu dieser Zeit schon intensiver und so bekam ich einen völlig neuen Blick auf diesen Dienst. Ein möglichst weites Netzwerk von Folgern vorausgesetzt, konnte man Informationen extrem schnell und zeitnah verteilen und bekommen. Ein spontanes Hörertreffen war wortwörtlich “im vorübergehen” organisiert. Ich fing an zu verstehen und meldete mich an. Seither nutze ich Twitter regelmäßig und sehr gerne.

Twitter Clients sind mir wichtig

Allerdings so gut wie nie über die Webseite. Von Anfang an hatte ich Twitter-Clients auf dem iPhone und dem Mac ausprobiert, habe immer mal wieder gewechselt, Tools gesucht, die meinen Vorstellungen und Wünschen am nähsten kamen. Die Nutzer entwickelten Twitter dabei ständig weiter. Auf @-Replies folgten native Replies. Hashtags, Favoriten, Folger-Listen, … Die Anwender und Entwickler schufen neue Ideen und Konzepte und setzten diese um, bis sie schließlich auch von Twitter selbst in die Webseite und Anwendungen übernommen wurden.

Geld verdienen?

Aber wie verdient Twitter eigentlich Geld? So richtig klar ist mir das nie geworden. Die Nutzung der Webseite und der offiziellen Clients ist kostenlos. Geld von den Nutzern möchte man nicht direkt haben, z. B. um Pro-Funktionen zu bieten. Offenbar hat man sich dazu entschlossen, auf die Werbefinanzierung zu setzen. Ob man dies auch von den Client-Entwicklern abgeschaut hat, die teils kostenlose Programme angeboten hatten, wenn man in seiner Timeline mit Werbung leben konnte oder ob Twitter nun von BWL-Studierten übernommen wurde, kann ich nicht sagen.

Twitter möchte keine fremden Clients

Fakt ist aber, dass Twitter zunehmend etwas gegen Clients hat, die nicht aus dem eigenen Hause stammen. Verständlich, wenn man Werbung unterbringen möchte, dann kann man keine Entwickler gebrauchen, die Clients programmieren, welche diese Werbung wieder heraus filtern. Twitter hat also vor Kurzem einige Empfehlungen zur Regel gemacht. Es gibt nun feste Regeln, wie ein Client einen Tweet darzustellen hat, wie viele Anwender einen Client nutzen dürfen und so weiter. Ob man sich darüber nun aufregt oder man abwinkt und erst mal einen Tee darüber trinkt, es ändert an der Tatsache nichts. Die ersten Auswirkungen sieht man auch bereits.

mehr nach dem Klick

So musste TabBots, Hersteller von Tweetbot, die Alpha-Version der Mac-Anwendung vom Netz nehmen. Ein weiter Alpha/Beta-Test mit fruchtbarem User-Feedback wird also nicht weiter möglich sein. Der Grund liegt im Limit der User-Zahlen pro Client. Maximal 100.000 User darf ein Client haben. Nun kann so eine Zahl in so einem Alpha-Test durchaus schnell erreicht werden ohne dass sichergestellt wäre, dass all diese User später die Anwendung auch kaufen würden. Aber auch wenn sie die Anwendung nicht kaufen, diese Tester blockieren dann weitere User, solange sie den Zugang bei Twitter nicht wieder abmelden – und das werden vermutlich nur wenige machen.

Wer also jetzt noch einen Twitter-Client schreibt, der muss schon sehr euphorisch sein. Bei max. 100.000 Kunden ist Schluss. Verkauft man seinen Client so, dass man 1,- behalten kann, könnte man also maximal 100.000 Euro damit verdienen. Nicht unbedingt ein Geschäftsmodell, auf das ich bauen würde, wenn ich es wirklich ernst meinte.

App.net als Alternative?

So ist also vielleicht an der Zeit, sich nach Alternativen umzusehen. Es bedeutet ja nicht, dass man sofort seinen Zugang bei Twitter löschen muss, es schadet aber auch nicht, sich neue Schuhe anzusehen, bevor die alten auseinander fallen.

Eine mögliche Alternative lief dabei wie ein kleines Lauffeuer durch meine Timeline. App.net. Was so klingt, wie ein Programm für Windows auf .Net-Basis, ist in wirklich aber so etwas wie ein Dienst oder ein Protokoll oder… Was eigentlich? Gucken wir mal.

Der Gründer von App.net, Dalton Caldwell, hat auf der Kickstarter-Plattform Geldgeber für seine Idee gesucht und gefunden. Dort gibt es auch mehr Informationen und inzwischen eine Anmeldemöglichkeit. In dem Text und Video wird u. a. erklärt, dass er einen anderen Ansatz verfolgen möchte. Der Dienst oder die API sollen nicht über Werbung finanziert werden. Man müsse sich immer nach den Geldgebern richten und wäre dies die Werbung, so wäre es eben eine gute Plattform für die Werber aber nicht mehr zwingend etwas Gutes für die Nutzer. Im Umkehrschluss heißt das natürlich: Möchte man eine gute Plattform für Nutzer schaffen, dann müssen diese auch bezahlen.

Das Geschäftsmodell ist derzeit also noch ganz einfach. Wer an App.net teilnehmen möchte, der zahlt. In diesem Fall $50 für ein Jahr. Wer als Entwickler Anwendungen rund um App.net programmieren möchte und den Zugang zur API benötigt, der zahlt zusätzlich noch einmal $50 pro Jahr.

Dalton wollte $500.000 haben, also mindestens 10.000 Nutzer, die bereit wären, $50 für ein Jahr zu bezahlen. Damit sollten zwei Ziele erreicht werden: Zum einen, genügend Geld für die Infrastruktur und Mitarbeiter, um die API zu entwickeln, Server aufzustellen, etc. Zum anderen genügend Nutzer von Anfang an, damit das Projekt auch leben kann. Außerdem wüsste man so natürlich gleich, ob überhaupt genügend Interesse bestünde.

“Der spinnt, das klappt niemals!”, dachte ich mir, als ich noch in der Gründungsphase auf dieses Projekt aufmerksam wurde. Tja, ich lag falsch! Über 12.000 Nutzer klickten um das Projekt zu unterstützen, $803.000 kamen dabei zusammen und auf Github tummeln sich immer mehr Projekte rund um App.net.

Was ist App.net?

Aber was ist App.net eigentlich? Das ist mir selbst noch immer nicht ganz klar geworden. Viele meinen, es sei eine kostenpflichtige Twitter-Alternative. Das soll es aber laut Daltons Aussage eben nicht sein. Soweit ich das verstehe, möchte App.net keine Anwendung oder Dienst sein, sondern vielmehr eine API, eine Art Protokoll, auf dessen Basis neue Anwendungen entstehen können. Eine dieser Anwendungen nennt sich “Alpha” und befindet sich auch noch in diesem Stadium. Es wurde laut Dalton als erstes Projekt aufgesetzt, um zu zeigen, dass die API vorhanden ist und funktioniert. Dieses “Alpha” stellt sich in der Tat wie eine Twitter-Alternative dar, nur dass längst noch nicht alles geht, was bei Twitter geht.

In einem Interview in TWiG (this week in google) kommt Dalton ausführlich zu Wort und stellt sich auch einigen Fragen.

Aktuelle Statistiken gibt es inzwischen auch zu sehen

Kann das funktionieren?

Die Frage bleibt aber in meinem Kopf: Kann das wirklich etwas werden, wenn die Einstiegshürde mit $50 im Jahr relativ hoch liegt? Kann man von den Nutzern, die das ganze System überhaupt zum leben erwecken und mit Inhalt füllen, Geld verlangen? Ich bin grundsätzlich nicht abgeneigt, Geld für etwas zu bezahlen, was ich auch gerne und oft benutze. Twitter ist für mich aber nur deshalb so wertvoll, weil eben sehr(!) viele daran teilnehmen und die Reichweite bei einer Frage mit einigen Retweets sehr hoch ist. Ich glaube, wenn Twitter auch nur $12 im Jahr kosten würde, wäre ein Großteil der Nutzer nicht mehr dabei, egal wie traurig ich das finden würde.

Dalton lässt im Interview aber durchblicken, dass dieses Modell nicht für alle Zeiten so stehen bleiben muss. Ich glaube auch, wenn es richtig Fahrt aufnehmen soll, wird man  dafür sorgen müssen, dass User auch deutlich günstiger oder gar kostenlos teilnehmen können. So wie ich das bisher verstehe, sollen das die Entwickler ggf. selbst in die Hand nehmen.

Beispiel: Jemand schreibt einen App.net Client, mit dem neue User kostenlos rein kommen können. Die Kosten dafür übernimmt der Entwickler. Das Geld dafür könnte durch Werbung rein kommen, die es nur in diesem Client gibt, oder durch einen Sponsor, den sich der Entwickler selbst gesucht hast. Oder die Nutzer kommen über diese App erstmal kostenlos rein, können aber nicht alle Funktionen voll nutzen/sind limitiert. Für mehr Funktionen müssen sie dann zahlen.

Es wird auch nicht gänzlich ausgeschlossen, dass Entwickler vielleicht mal an den Einnahmen beteiligt werden könnten. Es wird nichts versprochen, schließlich steht App.net noch ganz am Anfang, aber es zeigt, dass man durchaus offen über verschiedene (Bezahl-)Modelle nachdenkt.

Ob das alles funktioniert? Ich weiß es nicht. Aber wenn man es nicht versucht, wird man es auch nie erfahren smile Über 12.000 Nutzer sind ja schon der Meinung, dass App.net eine Zukunft hat. Klar, am Anfang werden die Twitter-Clones stehen aber laut Dalton soll die API noch weit darüber hinaus gehen und andere Anwendungen ermöglichen. Auf welche tollen Ideen die Entwickler noch kommen werden, vielleicht erneut durch die Nutzer inspiriert, wird man abwarten müssen.

Ich habe bisher jedenfalls noch keinen Zugang gekauft, bin aber immer wieder überlegen, es einfach mal auszuprobieren. Wie sieht das bei Euch aus? Seid Ihr schon dabei oder nicht – und warum?

3 Kommentare zu “App.net – Das nächste große Ding?

  1. Interessanter Artikel! Ich persönlich würde für SocialMedia kein Geld ausgeben wollen. Egal ob es Twitter, Facebook, Google+, … wäre. Das mag vielleicht gleich klingen, als würde ich zu jener Gruppe gehören, die meinen im Netz muss alles kostenlos sein. Nein, dazu zähle ich mich definitiv nicht. :) zB eines meiner Hobbies wäre das Geocaching. Dieses Hobby ist mir persönlich wichtig und bietet mir einen gewaltigen Mehrwert im Leben (zB die eigene Stadt aus einer anderen Sicht zu sehen, völlige neue Orte kennen zu lernen, …). Hier bin ich gerne bereit den Beitrag für den Promember (ich glaub das bewegt sich zZ bei 24 US$) zu zahlen. Auf der einen Seite weil es mir einen Mehrwert bei der Bedienung bringt und auf der anderen Seite weil ich die Firma unterstützen möchte, die mir ein nettes Hobby beschert.
    Bei SocialMedia sehe ich es persönlich etwas anders. Klar, es bietet mir durchaus einen gewissen Mehrwert, doch ist dieser persönlich für mich nicht so groß, wie jener den ich durch Geocaching erfahre.

    Bezüglich App.Net sehe ich es momentan wie bei den anderen SocialNetworks. Es bringt mir nicht den wesentlichen Benefit und so bin ich nicht bereit etwas dafür zu zahlen. Aber man kann ja nie wissen was die Zukunft bringt. :) Vielleicht ist für mich der Mehrwert eines Tages so groß, dass ich es ohne Weiteres zahlen würde? Mal abwarten. :)

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  2. Hi Boris,

    ich habe aktuell das gleiche Problem mit Twitter und mich vor gut einer Woche entschieden App.Net zu unterstützen und mir einen Account gekauft. Die “MoApp” bietet mittlerweile für den Desktop schon das nötigste an und die Updates kommen praktisch im Tagesabstand. Mittlerweile gibt es wohl schon über 17.000 App.Net Nutzer und so langsam kommen dort auch die ersten vernünfitge Antworten und Gespräche. Ich habe die $50 nicht bereut und würde mich sehr freuen, wenn ich Dir dort auch folgen könnte ;-)

    Viele Grüße aus Hamburg
    Steffen

  3. App.net hat nicht das Potential die Prime Time mittels G+,Facebook oder Twitter abzuringen. Vielleicht wird dort eine kleine Welt geschaffen, in der sich eine kleine Gruppe von Menschen tummelt. Das ist dem Projekt mindestens zu wünschen.
    Letztendlich funktioniert jedes Social Media System, wenn meine Kontakte stimmen. Ich chatte hier seit Jahren mit meinem besten Freund via ICQ. Dort tauschen wir auch Fotos und Videos aus. Wenn man so will, ist das auch ein kleines G+. Sehr klein…
    Vermutlich wird Twitter bei Erfolg des Projektes einen Pro Account anbieten, der mehr bietet und die Menschen werden wieder abwandern….

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