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Weitere Antwort des Abgeordneten Dr. Faust

Es geht weiter: In meiner letzten Antwort an Hr. Faust forderte ich konkrete Quellen zu nennen und ich forderte dazu auf, zu den Quellenanalysen Stellung zu nehmen.
Hier der Link zum ursprünglichen Brief
Hier die erste Antwort
und die 2. Antwort
Link zu allen Beiträgen zum Thema Internetsperre auf diesem Blog

Nun – im Grunde ist beides nicht passiert.
Er verweist auch auf die Gegenaktion der Deutschen Kinderhilfe unter dem Titel “Stoppt Kinderpornografie im Internet”. Ja klasse – Das unterschreibe ich doch sofort! Aber wurden den Unterzeichner auch die Mittel dazu erklärt? Wurde ihnen klar gemacht, dass sie mit der Unterschrift einer nicht kontrollierbaren Sperrliste zustimmen die schon lange im Vorfeld die Interessen von dritten weckt (Urheberrecht, Glücksspiel sind nur zwei Beispiele – was kommt als nächstes? Politische Gegner? Satireseiten wurden ja schon vom Netz genommen)

Intermezzo
Johnny vom Spreeblick hat eine Antwort auf seinen Brief an v.d.Leyen bekommen und kommentiert.
V.d.Leyen wie auch Dr. Faust und andere erzählen immer wieder, wie erfolgreich doch die Sperren im Ausland funktionieren. Interessant nur, dass Schwedens Polizei das ganz anders sieht.

Seine komplette Antwort (so unformatiert wie ich sie bekommen habe) – und meine Erwiderung lest Ihr nach dem Klick:

(Dirk Bürger. i.A.)

Sehr geehrter Herr Nienke,

in Schweden gibt es Internet-Sperren bereits seit 2006. Dort werden durch das schwedische Bundeskriminalamt, das mithilfe automatisierter Programme Internet-Inhalte mit Kinderpornografie identifiziert, rund 50.000-mal täglich Seiten mit kinderpornografischen Inhalten blockiert. Insgesamt sind rund 5.000 Internet-Seiten völlig gesperrt. Die schwedische Polizei arbeitet dabei eng mit ihren Kollegen in Norwegen, Dänemark und Finnland zusammen. Zudem berücksichtigt die Polizei auch Sperrempfehlungen der internationalen Organisation gegen Kindermissbrauch „ECPAT”. Die vom schwedischen Bundeskriminalamt erstellte Sperrliste wird an die Internet-Anbieter weitergeleitet. Alle großen Anbieter übernehmen die Liste und sperren dann entsprechend den Zugang. Nach Angaben der norwegischen Polizeibehörden werden dort jeden Tag an die 18.000 Zugriffe auf kinderpornografische Seiten abgewehrt.
Nach Angaben des Präsidenten des Bundeskriminalamts (BKA), Herrn Jörg Ziercke, habe der Vertrieb kinderpornografischer Bilder und Videos zwischen 2006 und 2007 in Deutschland um 55 Prozent insgesamt zugenommen. Im vergangenen Jahr hätten die Behörden 11.357 Fälle ermittelt; 2006 seien es noch 7.318 Fälle gewesen. Im Internet habe sich die Zahl der Fälle im gleichen Zeitraum sogar um 111 Prozent mehr als verdoppelt: von 3.271 auf 6.206 Fälle. Immer häufiger werden laut BKA sogar Kleinstkinder missbraucht. Mittlerweile seien zwölf Prozent der Opfer noch keine sechs Jahre alt, auch unter Dreijährige seien betroffen. Die Betreiber kinderpornografischer Seiten nähmen jeden Monat Millionenbeiträge ein.
Diese Erkenntnisse des BKA wurden auch durch die Angaben von Julia von Weiler und Carmen Kerger, die für die Opferschutzorganisationen “Innocence in Danger” und “Dunkelziffer” arbeiten, eindeutig bestätigt und sie forderten darüber hinaus auch entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen zum Schutz der Kinder.
In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auch auf die Pressemitteilung der Deutschen Kinderhilfe zum Auftakt der Kampagne „Stop! – Meine Stimme gegen Kinder“pornografie“ im Internet“ aufmerksam machen und zitiere aus dieser wie folgt: „Gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden Georg Ehrmann sammelten Teams der Deutschen Kinderhilfe LV Nordrhein-Westfalen anlässlich des Bundesligaspiels Arminia Bielefeld gegen Hoffenheim in nur 2 Stunden mehr als 2.000 Unterschriften für das „Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen“. Dies war der Auftakt der bundesweiten Sammelaktion mit dem Ziel, bis Ende Mai mindestens 100.000 Unterschriften für die geplante Sperrung kinder“pornografischer“ Seiten nach dem Vorbild anderer europäischer Staaten zu sammeln. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger äußerten in Gesprächen eine große Sympathie für die Aktion. Spontan nahmen sie Unterschriftenlisten mit, um selbst weitere Unterschriften zu sammeln.
„Mit dieser Aktion setzt die Deutsche Kinderhilfe ein klares Signal, dass dieser erste kleine Schritt der Politik nicht durch unberechtigte Sorgen vor einer generellen Zensur des Internets verhindert werden darf. Dieses Gesetz ist eine reine Zugangserschwerung und muss als Teil weiterer notwendiger Schritte gesehen werden. Die Politik ist daher aufgefordert, es nicht bei diesem Gesetz zu belassen. Weitere Maßnahmen müssen folgen! Die Länder sind aufgefordert, mehr hoch qualifizierte Sonderermittlungsstellen einzurichten, ferner muss gegen Betreiber einschlägiger Server ebenso konsequent vorgegangen werden wie gegen die Nutzer pädokrimineller Angebote im Netz. Eine enge internationale Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden ist ebenso geboten wie die Anfertigung einer internationalen schwarzen Liste. Auf dieser Liste müssen die Länder verzeichnet werden, die sich weigern, gegen Server mit pädokriminellen Inhalten vorzugehen und/oder die Zusammenarbeit mit deutschen Strafverfolgungsbehörden ablehnen. Darüber hinaus ist eine Reform des Strafrechts zwingend notwendig. Das Strafmaß für das Herunterladen dieser widerwärtigen Gewaltvideos muss endlich erhöht werden: immer noch wird das Herunterladen von Software und Hollywood-Filmen härter bestraft als das von pädokriminellen Dateien“, so RA Georg Ehrmann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe gestern in Bielefeld.“

Mit freundlichen Grüßen
i.A. Dirk Bürger

Ich darf feststellen: Man glaubt an das, was man sich selber einredet. Jede Stimme von unabhängigen Stellen (siehe die diversen Links zu diesem Thema) werden komplett ignoriert.

Meine Erwiderung auf diese “Antwort” mit Bitte um ein persönliches Gespräch – z.B. ein Telefon-Interview, lautet:


Guten Tag,

Gestatten Sie mir die Frage:

– Haben Sie die Links, die ich Ihnen geschickt habe, überhaupt einmal aufmerksam gelesen? Diese Antwort erweckt den starken Verdacht, dass Sie dies nicht getan haben. Das ist in sofern sehr bedauerlich, als dass die Links sehr sachlich mit eben den von Ihnen genannten Quellen umgehen und zu einem völlig anderen Ergebnis kommen (übrigens ebenfalls mit Bestätigung u.a. auch aus dem Ausland wo diese Sperren bereits als nicht wirksam erkannt wurden)

Sie sprechen die Deutsche Kinderhilfe an:
Ich versuche jetzt sachlich zu bleiben und verweise auf aktuelle Berichterstattung zu Deutschen Kinderhilfe die sie unter folgenden Links finden:

Unter Welt-Online:
http://www.welt.de/politik/article1874875/Geschaefte_unter_dem_Mantel_der_guten_Taten.html

Unter Spiegelfechter:
http://www.spiegelfechter.com/wordpress/536/deutsche-kinderhilfe-der-versuch-eines-konservativen-rollbacks

Ist Ihnen bekannt wie Stimmensammlungen in Fußgängerzonen funktionieren? Ich war nun nicht dabei, habe aber schon viele Umfragen erlebt. Wer würde bei “Lieben Sie Kinder?” nicht unterschreiben. Ich wage ernsthaft zu bezweifeln, dass dort offen aufgeklärt wurde bevor die Unterschriften gesammelt wurden.

Grundsätzlich halte ich die Unterschriften auf der ePetition für nicht weniger wertvoll – wenn nicht sogar wertvoller. Warum?
Wenn jemand in der Fußgängerzone oder bei Fußballspielen Stimmen sammelt, dann ist es um ein vielfaches bequemer zu unterschreiben als bei der ePetition – von dieser muss die Bevölkerung erst einmal erfahren. Wer unterzeichnen möchte, der muss sich auf dem (teils sehr trägem) Server erst registrieren, eine Ziffernfolge erkennen und ausfüllen, auf die Antwort per Mail warten, sich dann erneut anmelden und dann unterzeichnen. Wobei ständig die Angst um die Offenlegung der persönlichen Daten auf einem Server mitschwingt.

Sie wollen jetzt hoffentlich nicht die Meinung vertreten, dass Stimmen, die durch die Kinderhilfe gesammelt werden mehr wiegen als die der Online-Petition?

Sie schreiben weiter, dass selbstverständlich weitere Maßnahmen folgen müssen:

Das ist ein sehr guter Punkt.

Noch besser wäre es aber – und damit möchte ich betonen, dass diese konstruktive(!) Kritik von vielen zig- vermutlich aber hunderttausenden Bürgern getragen wird:

– Nicht ZUSÄTZLICHE Maßnahmen
– Sondern ANDERE Maßnahmen

Wenn es so offensichtlich ist, dass die geplante Sperrliste zu deutlich mehr Misstrauen, Erweiterungswünschen von allen Seiten und einem tiefen Einschnitt in die Grundrechte führt OHNE dabei gegen das eigentliche Problem helfen zu können (das ist inzwischen wirklich mehrfach bestätigt worden), warum dann überhaupt einführen?

Lassen sie die Idee mit der Internetsperre fallen.
Greifen Sie stattdessen gezielt an. Gehen Sie an die Provider auf deren Server das (bereits Heute) illegale Material liegt. Es ist von vielen Seiten bestätigt, dass dieses Material in Ländern auf Servern liegt, in denen Kinderpornografie genauso strafbar ist wie bei uns. Wenn Sie nicht dieser Überzeugung sind, dann bitte ich um Konkrete Quellenangaben in welchen Ländern sie Material gefunden haben was sie nicht sperren können.

Ich fasse zusammen:
– Sie haben Sich mit den unabhängigen Analysen der von Ihnen hier erneut geschilderten Quellen nicht auseinander gesetzt (so mein Verdacht) und wiederholen mir gegenüber einfach den vorhandenen Standpunkt – den ich ja in meinen Mails deutlich in Frage gestellt habe

– Sie ziehen die Deutsche Kinderhilfe als Beispiel heran. Gehen aber mit keinem Wort auf den Verband der Missbrauchsopfer ein. Sie ignorieren offenbar auch die starken Zweifel an der Deutschen Kinderhilfe (siehe Links oben) an deren Unabhängigkeit.

– Ich finde es mehr als bedauerlich, eher schon gefährlich, mit welcher Überheblichkeit und mit welchem Mangel an Dialogbereitschaft von Ihrer Seite (CDU – wie zu großen Teilen auch SPD) bei diesem Thema vorgegangen wird.

Nicht nur ich, sondern zig tausend Bürger die Unterzeichnet haben suchen den offenen Dialog. Wir beschimpfen nicht, wir pauschalisieren nicht, wir bagatellisieren nicht. Wir stellen nur fest, dass die geplanten Maßnahmen in KEINSTER Weise helfen Kinderpornografie zu bekämpfen und kein einziges Kind vor solchen grausamen Taten beschützt wird.

Es ist traurig, dass die Denker und Lenker unserer Nation dies ganz offensichtlich übersehen (wollen) oder ganz bewusst in Kauf nehmen.

Wenn Sie bereit sind zu einem offenen Gespräch, dann bitte ich um einen Termin – z.B. für ein Telefon-Interview zu diesem Thema.

Boris Nienke

5 Kommentare zu “Weitere Antwort des Abgeordneten Dr. Faust

  1. Hallo Boris!

    Wie schon per Twitter gesagt: Diese Ignoranz grenzt an Frechheit.
    Nocheinmal Danke für dein Engagement, ich sollte mir da vielleicht ein Beispiel nehmen.

    Schöne Grüße,
    Jannis

  2. Hier steh ich nun ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor!

    passend zum Dr. Faust…

    Finds super Boris, dass du dich so engagierst! Du erreicht viele Menschen, zwar nicht so viele wie unser Wirtschaftsstrahleminister, aber du hast eine richtige Botschaft, die du argumentierst, er nur leere Aussagen und fettige Haare…

  3. Ich fürchte, hier kommt man nicht zu einem echten Dialog. Da muss die Konformität zur Parteispitze gewahrt werden. Dementsprechend werden die Pressemitteilungen der Regierung gnadenlos wiederholt. Eine eigene Meinung ist doch gar nicht gefragt. Dann ist man in der Partei sofort als Abweichler verschriehen und bekommt bei der nächsten Wahl keinen Listenplatz mehr. Und wenn es dann nicht fürs Direktmandat reicht…

    Und hinterher wundern sie sich, warum die jungen Leute so politikverdrossen sind. Wenn man alle Experten ignoriert und den Bürgern nicht zuhört, sind sie doch selber schuld.

  4. Von mir auch großes Lob für dein Engagement!

    Ich glaube auch, dass die Links nicht gelesen werden. Lange E-Mails verweisen auf noch längere Artikel – da hat niemand Zeit zu, denn die sind ja schon mit Wahlkampf beschäftigt.

    Versuche doch bei weiteren Mails eine kurze Stichwort-/Fakten-Liste. Die wird eher etwas bewirken als viel Text und lange Erklärungen.

    Hoffen wir auf Erfolg!

    Götz

  5. Torsten

    Wenn er die ECPAT zitiert – hier ist, was eCPAT zu den Sperrzahlen sagt:

    However, these statistics reflect only those who are caught. Other data, such as that provided
    by one leading UK Internet Service Provider (ISP) suggested that in July 2004 it blocked
    Child Pornography and Sexual Exploitation of Children Online |27
    more than 20,000 attempts per day to access child pornography on the Internet. More
    recent data from Swedish and Norwegian blocking of access to known sites carrying child
    abusive images reveal as many as 15,000–18,000 daily attempts in Norway. These figures
    need to be interpreted with caution since they would also include hits by, for example, web-
    crawling robots which may result in a number of ‘false positives’, but they do, however, say
    something of the number of attempts made in a country with a much smaller population
    than that of the UK. The attempts were easy to block because the material requested was
    from known sources. More difficult is material that is produced with a perfectly valid reason,
    but which is used by others in a way that is problematic. A good example of this is provided
    by Lehmann, Cohen, and Kim (2006) in relation to the detection and management of
    pornography-seeking in an online clinical dermatology atlas. During the study period,
    one third of the search queries related to anatomical sites…

    Auf deutsch:
    1. die Zugriffsstatistiken werden sogar von der ECPAT als äußerst schwaches Indiz bezeichnet.
    2. Pädophile bedienen sich auch bei völlig legalem Material.

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